COLD RAILS
music ©by mafish, text ©by ralf moß

Marie's getting cold at the station
Wind is blowing round her head
She has a dream of violation
The dream is growing round the clerk

The clerk behind the desk sits in his sweat
His parlour is a warm and cosy place
Marie outside is getting cold and wet
The clerk looks stolid out of grace

It starts to rain, it starts to snow
Marie stands in the middle of a storm
There's a hall inside but it is closed
The clerks man's sitting snug and warm

Cold rails
A naked man on
Cold rails
A bombing train on
Cold rails

A naked man is lying down
In cold rain on a frozen ground

Cold dreams in a
Cold night
Snowflakes on a
Cold body


Marie your dreams are so incredible
Born deep in your frozen brain
Marie your rage is indestructible
Cold expressions, frozen bane


Marie is waiting for her train
Like every day she's getting cold
A frosty wind grabs at the vane
And at her face: Lo and behold

She steps nearer to the wall
No shelter, slipstream, open bar
The coldness takes its toll
Her thoughts are starting to go far

Marie is dreaming of the clerk
To rip him out of cosiness
To do some very dirty work
To be nasty, mean, oh yes

Cold rails
A naked man on
Cold rails
A bombing train on
Cold rails


Cold Rails beruht auf einer von Ralfs Kurzgeschichten, die hier zu lesen ist:
Kurzgeschichte:

Marie

Die Kurzgeschichte,auf der Cold Rails basiert

© by ralf moß


Marie hatte ein Problem mit Zügen. Ihr gottverdammtes Problem mit Zügen. Nicht dass sie die Eisenbahn für keine grandiose Erfindung hielt. Marie besaß kein Auto, nicht mal einen Führerschein. Sie war vor langer Zeit mit einem klapprigen alten Fahrrad gefahren. Der Gepäckträger war nur noch an einer Seite am Gestänge in der Nähe der Radnabe befestigt gewesen und die Feder der Klemme ausgeleiert. Das Licht hatte nie funktioniert und der Sattel gab noch Wochen nach dem letzten Regen Wasser ab. Sie hatte es selten benutzt und nun rostete es schon seit Jahren mit platten Reifen auf ihrer Veranda vor sich hin.

Marie hasste es zu warten. Sie war immer pünktlich, immer vor der Zeit an Ort und Stelle. Auch am Bahnhof. Lange bevor der Zug kam, war sie bereit. Hatte ihr Gepäck dreifach kontrolliert und selbstverständlich ihre Fahrkarte gekauft. Selbst wenn die Bahn pünktlich kam, was, wie Marie zugeben musste, meistens der Fall war, musste sie warten, weil sie so früh dort war. Im Sommer ärgerte sie sich schwitzend über die zahllosen Mücken, die vom nahen Bach ausschwärmten. Im Winter fror sie. Wahlweise draußen in der kalten Zugluft oder drinnen in der abgestandenen Luft, die nach kaltem Zigarettenrauch roch. Der riesige Ofen, der in der kleinen Bahnhofshalle stand, war noch nie beheizt worden. Nicht solange Marie mit dem Zug fuhr und sie fuhr seit vielen Jahren. Der kauzige kleine Mann hinter dem Schalter, der ihr mürrisch die Fahrkarte verkaufte und niemals, seit schon nie auf ihr freundliches Guten Tag antwortete, machte keine Anstalten, den Ofen anzuheizen.

Als vor ein paar Jahren Gleisbauarbeiten vorgenommen wurden und der kleine Schuppen neben dem Bahnhofsgebäude offen stand, hatte Marie gesehen, dass das Brennholz dort bis zur Decke gestapelt war. Es hätte wohl für mehr als einen Winter gereicht. Jeden Tag in der kalten Jahreszeit, wenn sie frierend auf ihren Zug wartete, dachte sie mit großem Ärger an dieses Holz. Manchmal, wenn sie besonders fror und der Ärger größer wurde, überkamen sie Phantasien, in denen sie den Schuppen anzündete. An weniger kalten Tagen begnügten sich die Tagträume damit, dass Marie einfach Holz aus dem Schuppen in die Wartehalle trug und den Ofen stocherte. Die schlimmsten Ideen entwickelte sie, wenn der Zug Verspätung hatte und die Kälte ihr von den beinahe abgestorbenen Füßen langsam nach oben unter den Mantel kroch. Dann jagte sie den kleinen Mann nackt hinaus auf die Kälte klirrenden Gleise, wo er jämmerlich erfrieren musste oder wahlweise von einem Zug überrollt wurde, während Marie den Bahnhof in Brand steckte.

Eines passierte weder in Maries Phantasie noch in der Realität. Sie fragte nie, warum der Ofen nicht beheizt wurde oder bat den kleinen Mann darum, es zu tun. Sie stand fest im eiskalten Wind und ertrug die Kälte mit stoischer Mine und blieb ganz still. Wenn es so kalt wurde, dass sie zitterte, ging sie ein paar Schritte auf und ab oder versuchte vergeblich irgendwo vor dem Wind umtosten Gebäude eine Stelle zu finden, an der ihr auf wundersamer Weise weniger Schneeflocken entgegen wehten. Wenn sie es gar nicht mehr aushielt, setzte sie sich auf die kalten Bänke im Bahnhof, atmete widerwillig den Tabakrauch ein und ärgerte sich über den Ofen. Der kauzige Mann stand hinter einer dicken Glasscheibe und starrte in den Bahnhof. Er sah sie nicht an und sagte auch nichts. Hinter ihm dampfte ein Wasserkessel auf einem Kanonenofen, der so heiß war, dass der kleine Mann schwitzte, obschon er nur ein dünnes Hemd trug. Marie konnte den Anblick nie lange ertragen und stapfte bald wieder nach draußen.

An einem besonders kalten Tag im Februar saß sie auf der Rückfahrt nach Hause im Zug und las in ihrem gerade neu gekauften Buch. Es fesselte sie von der ersten Seite an und dass der Zug nach einer kurzen Fahrt nun schon seit über einer halben Stunde bewegungslos stand, bemerkte sie erst, als der Schaffner kam, um sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Etwas war passiert und die Polizei hatte die Gleise gesperrt. Marie dachte kurz über einen möglichen Unfall nach, über den Bus, der nun ohne sie in ihre Straße fuhr und vertiefte sich wieder in ihr Buch. Erst am nächsten Tag erfuhr sie aus der Zeitung, dass ein Mann auf den Gleisen von einem Zug erfasst worden war. Am übernächsten Tag las sie, dass es der kauzige kleine Mann aus ihrem Bahnhof war. Und noch einen Tag später hörte man es im Radio und prangte es auf allen Titelseiten: Jemand hatte den kleinen Mann nackt und gefesselt auf die Gleise gelegt. Bei Minus Temperaturen. Ein Arzt spekulierte im Radio darüber, ob er möglicherweise schon erfroren war, bevor ihn der Zug überrollte und die Revolverblätter überschlugen sich in Spekulationen. Marie hatte ihre eigenen und schlief in dieser Nacht sehr schlecht.

Nach einer Woche war der Mann kein Thema mehr und die Presse stürzte sich auf etwas Neues. Nach zwei Monaten erschien er wieder auf der Titelseite, nachdem seine Nachbarin gestanden hatte, dass sie ihn auf die Gleise legte. Sie hatte ein Verhältnis mit ihm gehabt und starb in ihrem Bett an einem Herzinfarkt. Sie wollte weder ihren Mann noch seine Frau um Hilfe bitten und schleppte ihn wie er war – er war nackt – in seinen Schalterraum, wo der Kanonenofen bollerte und dann auf die Gleise. Sie gab an, nicht mehr zu wissen, warum sie ihm ausgerechnet diese Art der Bestattung zugute kommen ließ. Marie dachte an den Mann, an die Kälte und hoffte, er bekäme einen Nachfolger, der den großen Ofen im Bahnhof beheizte. Dann dachte sie nicht weiter daran und die Zeitung schrieben nichts mehr.

05.04.2008